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Internetnutzung: Konzentration leidet
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Janina Kröger, Fr, 13. Sep. 2019
in Aktuelles

Internetnutzung: Konzentration leidet

Schädigen Online-Aktivitäten das Gedächtnis?

Habt ihr auch das Gefühl, dass es um euer Gedächtnis schon einmal besser bestellt war? Vielleicht habt ihr es bislang auf das zunehmende Alter geschoben, dass ihr immer vergesslicher werdet. Eine Studie meint dazu jetzt: Die Internetnutzung ist schuld.

Wieso das Internet angeblich eurer Konzentration schadet, lest ihr hier bei uns.

Studie nimmt die Internetnutzung in den Blick

Schon vor einigen Jahren machte eine Studie von Microsoft mit der folgenden Behauptung von sich Reden: Wegen zu vieler Reize aus dem Internet hat sich die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen von 12 Sekunden im Jahr 2000 auf 8 Sekunden im Jahr 2013 verringert – und liegt damit unter der eines Goldfisches, der ganze 9 Sekunden aufmerksam ist.

Jetzt legt eine neue Studie nach. Ein internationales Forscherteam hat dafür verschiedene Untersuchungen ausgewertet, die den Einfluss des Internets auf unsere moderne Gesellschaft aus verschiedenen Blickwinkeln untersuchen. Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Artikel mit dem Titel „The ‚online brain‘: how the Internet may be changing our cognition“ veröffentlicht.

Die These des Forscherteams ist es, dass sich durch die verstärkte Internetnutzung die Strukturen in unserem Gehirn verändern könnten – und mit ihnen auch unsere Fähigkeiten aufmerksam zu sein, Informationen zu speichern und die (Cyber-)Welt um uns herum zu begreifen.

Zu sehen ist ein Bild in eher düsterer Stimmung, eine Frau arbeitet an ihrem Laptop. Schadet die Internetnutzung ihrer Konzentration? Bild: www.unsplash.com / Thought Catalog

Schadet die Internetnutzung der Konzentration? Eine Studie behauptet das. Bild: www.unsplash.com / Thought Catalog

Reizüberflutung durch das Internet?

Ununterbrochen prasseln im heutigen Internetzeitalter Informationen auf euch ein. Über WhatsApp haltet ihr euch mit engen Freunden und der Familie auf dem Laufenden, stimmt euch für Termine ab oder schickt lustige Bildchen hin und her.

In den sozialen Medien erweitert sich der Kreis: Es kommen Neuigkeiten von entfernteren Bekannten, von Webseiten, Promiprofilen und von Nachrichtenseiten dazu, die ihr irgendwann einmal geliked habt. Und dann gibt es da noch diverse Newsstreams, über die ihr das aktuelle Geschehen in der Region und in der Welt im Blick behaltet.

Die Welt dreht sich irgendwie immer schneller. Und das wirft eine Frage auf: Was macht die zunehmende Digitalisierung eigentlich mit eurem Gehirn? Diese Frage bildet den Kern der Studie. Drei Schwerpunkte konnten dabei herausgearbeitet werden. Und zwar: Aufmerksamkeit & Digitale Ablenkung, Informationsgewinn und -speicherung sowie Soziale Kontakte in der digitalen Welt.

Schwerpunkt: Aufmerksamkeit & Digitale Ablenkung

Die meisten Erwachsenen haben die unvernetzte Welt noch kennengelernt und den ziemlich rasanten Übergang ins digitale Zeitalter miterlebt. Anders ist es bei der jüngeren Generation. Für Kinder und Jugendliche gehören Handy und Co. längst zum Alltag, und die Vernetzung rund um den Erdball ist für „Digital Natives“ eine Selbstverständlichkeit.

Das drückt sich auch in Zahlen aus: 97 Prozent der Jugendlichen in Deutschland besaßen 2018 ein eigenes Smartphone und genauso viele nutzen jeden Tag das Internet. Für die Jüngsten gibt es spezielle Kinder-Apps und Angebote wie Youtube Kids; für ältere Kinder und Jugendliche gehört das Streamen von Musik, Serien und Filmen zu den Lieblingsbeschäftigungen.

Besonders kritisch ist dabei: Gerade in diesen beiden Gruppen könnte sich der Einfluss durch die intensive Internetnutzung als besonders prägend erweisen. Immerhin müssen sich Gehirn und kognitive Fähigkeiten erst noch ausbilden und sind in dieser Zeit besonders durch Umweltfaktoren beeinflussbar.

Aufmerksamkeit sinkt

Dass sich Alt und Jung vom Internet und seinen Inhalten fesseln lassen, kommt nicht von ungefähr. Es ist schließlich nicht nur ein niemals versiegender Quell der Information, sondern auch der Unterhaltung. Hinzu kommt, dass die Webseiten-Betreiber ihre Seiten und Inhalte natürlich so attraktiv wie möglich gestalten und oftmals bestimmte Mechanismen einsetzen, die eure Aufmerksamkeit wecken und irgendwie süchtig machen.

Mittlerweile ist es doch so: Auch wenn ihr gar nicht konkret etwas im Internet machen möchtet, gewinnt doch regelmäßig der Drang, ganz schnell sämtliche Kanäle auf Neuigkeiten zu checken. Die Studie meint, hier eine Dopamin-Ausschüttung im Gehirn zu erkennen. Bedeutet: Ihr erlebt ein positives Glücksgefühl, weil ihr wieder auf dem Laufenden seid.

Das Problem an diesem „media multi-tasking“ ist, dass es euch von eurer eigentlichen Tätigkeit ablenkt. Intensive Internetnutzer sollen nicht nur Probleme haben, bei der Sache zu bleiben. Sie sollen auch direkt nach dem Internetkonsum einige Zeit lang weniger aufnahmefähig sein.

Zu sehen ist eine Frau auf dem Sofa, die gleichzeitig den Laptop nutzt, Musik hört und ihr Handy im Blick hat. Eine Folge der Internetnutzung. Bild: www.unsplash.com / Steinar Engeland

Am Laptop arbeiten, Musik hören, ab und zu auf das Handy schauen – durch die Internetnutzung könnt ihr euch schlecht auf nur eine Sache konzentrieren. Bild: www.unsplash.com / Steinar Engeland

Schwerpunkt: Informationsgewinn und -speicherung

Was hat das Internet in eurem Leben am meisten verändert? Viele von euch werden auf diese Frage antworten: die Art und Weise, wie ich mir Informationen beschaffe. Tatsächlich ist das ein wichtiger Punkt. So ziemlich jede Information ist mit einem schnellen Tippen auf dem Smartphone verfügbar. Natürlich kann das das frei verfügbare Wissen durch das Internet als eine wichtige Errungenschaft der Digitalisierung bewertet werden.

Aber: Gleichzeitig macht die ständige Verfügbarkeit jeder beliebiger Information ihre Speicherung im Gedächtnis irgendwie überflüssig – und schon ist zu erkennen, dass unsere Gedächtnisfähigkeit verkümmert. Das Internet entwickelt sich zunehmend zu einem fast übernatürlichen Impulsgeber und macht euch in Sachen Wissensabruf immer abhängiger.

Das bestätigt der Blick auf die Hirnaktivität. Er zeigt: Die Informationsbeschaffung via Internet ist zwar schneller als bei der klassischen Variante über eine Enzyklopädie, dafür aktiviert sie jene Hirnregionen, die für die (dauerhafte) Informationsspeicherung zuständig sind, weniger bis gar nicht.

Studie warnt: Abhängigkeit vom Internet steigt

Die Studie stellt fest, dass das Internet bereits dabei ist, die Art und Weise zu verändern, in der ihr Wissen speichert, abruft und wertschätzt. Der Langzeiteffekt sei aber noch nicht abzusehen. Eine zunehmende Abhängigkeit vom Internet gilt aber als sicher.

Als gefährlich erweist sich dabei, dass das externe Wissen aus dem Internet oft als eigenes, internes Wissen ausgegeben wird und die Grenze dazwischen mehr und mehr verwischt. Die Folge: Dass ihr euer Gedächtnis immer weniger beansprucht und trainiert, werdet ihr nicht bemerken.

Es scheint aber euch einen positiven Aspekt zu geben. Die Vermutung: Der Wegfall der Informationsspeicherung gebe Kapazitäten für andere Bereiche frei. Zum Beispiel verfeinert ihr eure Fähigkeiten, effektiv Informationen zu beschaffen, werdet dabei schneller und genauer. Scheinbar verbessert sich auch die Fähigkeit, euch auf Informationen zu fokussieren, die nicht so einfach abrufbar sind und dementsprechend eine intensivere Recherche erfordern.

Eine Person sitzt vor dem Handy, hat dabei aber ein Handy in der Hand. Das ist eine Folge der verstärkten Internetnutzung. Bild: www.unsplash.com / Austin Distel

Arbeit am Laptop, Unterhaltung am Handy – das Internet sorgt für allerlei Ablenkung.
Bild: www.unsplash.com / Austin Distel

Schwerpunkt: Soziale Kontakte in der digitalen Welt

Laut der Studie ist das soziale Miteinander sowohl real als auch virtuell von dem Bedürfnis geprägt, Informationen und Ideen auszutauschen, ein soziales Netzwerk zu spannen und Freundschaften zu pflegen. Aber bleiben auch die Aktivitäten in eurem Gehirn dieselben?

Habt ihr eure Kontakte schon einmal in Schubladen gesteckt? Die Studie macht genau das und stellt für folgende Kategorien auf: wichtigster Partner, intime Beziehungen, beste Freunde, enge Freunde und Freunde. Insgesamt fallen in diese Kategorien durchschnittlich 150 Personen. Es mag überraschen: Aber auch in der digitalen Welt der Fall sollen durchschnittlich etwa 150 Kontakte gepflegt werden.

Eine weitere Gemeinsamkeit: In beiden sozialen Welten seid ihr in der Lage, mit maximal drei Personen gleichzeitig zu interagieren, dann wird es mit der Aufmerksamkeit schwierig. Es heißt in der Studie, dass das Gehirn soziale Kontakte online und offline auf erstaunlich ähnliche Weise verarbeitet. Ein neues Spielfeld, aber dasselbe Spiel – so fasst es die Studie zusammen.

Ähnlich aber anders

Das zeigt sich anscheinend auch in der Gehirnaktivität. Ein Beispiel: Ihr bekommt online einen Korb von einer Person, die ihr mögt – dann lassen sich im Gehirn fast identische Reaktionen beobachten, wie bei einer Abfuhr von Angesicht zu Angesicht. Aber es gibt auch einen großen Unterschied. Immer mehr „Freunde“, immer mehr Likes für eure Beiträge, immer mehr Follower – all das beeinflusst euer gesteigertes Bedürfnis, irgendeine Art von Feedback zu bekommen.

Das wiederum ist besonders für junge Menschen eine Gefahr. Mobbing, Ängstlichkeit, Depression und das Gefühl der sozialen Isolation, so der Verdacht, könnten durch die Online-Aktivitäten verstärkt werden. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass eine Verbindung zwischen psychischen Krankheiten und häufigem Internetkonsum besteht.

Ein Grund dafür könnte sein, dass ihr euch ständig mit Freunden, Bekannten und Fremden vergleicht. Ist Schulfreund XY erfolgreicher als ihr? Ist Promi YZ viel durchtrainierter? Besonders gefährlich sind solche Vergleiche vor dem Hintergrund der idealisierten Scheinwelt in den sozialen Medien.

Zu sehen sind drei junge Frauen, die sich unterhalten und zusammen lachen. Klappt das auch bei Internetnutzung? Bild: www.unsplash.com / Priscilla Du Preez

Welchen Einfluss hat die Internetnutzung auf das soziale Miteinander?
Bild: www.unsplash.com / Priscilla Du Preez

Internetnutzung verändert das Denken

Alles deutet daraufhin: Das Internet verändert das, was in eurem Kopf so vor sich geht. Die Flut an Informationen auf verschiedenen Kanälen lässt euch mehr und mehr von einem Medium zum anderen wechseln und reduziert eure Aufmerksamkeit für eine einzelne Sache; die Langzeitspeicherung von Informationen nimmt ab, weil ihr euch zunehmend auf die Informationen im Internet verlasst; die sozialen Beziehungen online und offline vermischen sich, wobei Begegnungen in der digitalen Welt auch Auswirkungen auf die reale Welt haben.

Das klingt alles ziemlich negativ. Dabei könnten durch die Internetnutzung durchaus auch positive Effekte entstehen. Zum Beispiel bei älteren Erwachsenen zwischen 55 und 76 Jahren. Hier gibt es erste Untersuchungen, in denen die Internetrecherche die Aktivität im Gehirn förderte und auch Spiele am PC oder Handy eine Anti-Aging-Wirkung zu haben schienen.

Da das Internet und seine große Verfügbarkeit vergleichsweise junge Entwicklungen sind, können aber laut Studie aktuell noch keine Aussagen über die Langzeitfolgen getroffen werden.

Bildschirmzeit im Blick behalten

Hattet ihr auch schon mal das Gefühl, dass ihr euch Details und Einzelheiten früher viel besser merken konntet? Verlasst ihr euch noch auf das Wissen, das ihr irgendwann einmal abgespeichert habt oder kontrolliert ihr lieber schnell bei Google, ob ihr richtig liegt? Und würdet ihr das Handy während der Arbeitszeit gerne mal komplett ignorieren, werdet aber doch wieder durch den reflexartigen Griff zum Smartphone überrascht? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.

An die Eltern unter euch: Es gibt Mittel und Wege die Bildschirmzeit eurer Kinder auf ein bestimmtes Limit festzulegen – zum Beispiel mit der App Screen Time (Android/Apple). Ähnliches gibt es für euch selbst. Verschiedene Apps zum Digital Wellbeing zeigen euch genau, mit welchen Apps ihr wie viel Zeit verbringt. Ein Limit könnt ihr euch ebenfalls auferlegen.

Ihr braucht Hilfe bei der Installation einer solchen App? Dann ist der PC-SPEZIALIST in eurer Nähe der richtige Ansprechpartner.

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