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Zocken auf Rezept mit „EndeavorRX“
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Maren Keller, Fr, 26. Jun. 2020
in Games

Zocken auf Rezept mit „EndeavorRX“

Videospiel gegen Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom

Stellt euch das mal vor: Ihr habt ein bekanntes Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom und geht zum Arzt, um ein Rezept für eure Medikamente zu bekommen. Dort erfahrt ihr dann, dass ihr Zocken auf Rezept könnt. 

Also am Computer daddeln und nebenbei ADHS bekämpfen. In den USA ist das möglich. Und in Deutschland? Infos bei uns.

Zocken auf Rezept statt Parken vorm Fernseher

Genervte Eltern parken ihre Kinder gern mal vorm Fernseher, drücken ihnen das Handy in die Hand oder lassen sie am Computer spielen. Meistens mit einem schlechten Gewissen, schließlich weiß jeder, dass Kinder lieber draußen aktiv sein sollten, statt drinnen vor Bildschirmen zu sitzen. Passend dazu hat die WHO im vergangenen Jahr eine Richtlinie zur Kindergesundheit und die dazugehörigen Richtwerte zur Mediennutzung herausgegeben.

Das schlechte Gewissen beim Parken vorm Fernseher können Eltern nun abschütteln. Denn die US-amerikanische Behörde Food and Drug Administration (FDA) hat bestätigt, dass ein Videospiel sogar gut für die Gesundheit sein kann. Es geht um „EndeavorRX“. Dieses Videospiel hat von der FDA das Siegel der geprüften Therapie-Möglichkeit erhalten und kann somit für Kinder, die unter dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität (ADHS) leiden,verschrieben werden. Zocken auf Rezept also. Aber gibt es einen Haken?

Zocken auf Rezept: Bild zeigt Krankenblatt, Stethoskop und Stift. Bild: Pixabay

Nach einer Diagnose vom Arzt bekommt ihr per Rezept das Videospiel verordnet – allerdings nur in den USA. Bild: Pixabay

Gaming vom Arzt verschrieben – nur in den USA

Der erste Haken an der Sache dürfte sein, dass bislang nur die US-amerikanische FDA das Spiel als Heilmittel ansieht. In Deutschland ist noch keine Rede von der digitalen Therapie gegen ADHS mit Hilfe des Videospiel „EndeavorRX“. Zocken auf Rezept gibt es also bislang nur in den USA.

Doch was ist eigentlich ADHS? Kinder und Jugendliche, die an dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität leiden, sind oft unruhig, können sich schlecht konzentrieren und stören den Schulunterricht. Daraus resultieren familiäre, soziale und schulische Probleme, die oftmals bis ins Erwachsenenalter reichen, wenn die Patienten falsch oder gar nicht therapiert werden. Kinder mit ADHS können entweder der typische Zappelphilipp sein, wodurch die Diagnose erleichtert wird, oder häufig verträumt und abwesend wirken, was die Diagnose erschwert.

Therapie-Ansätze für ADHS gibt es viele. Das bekannteste Medikament ist hierzulande Ritalin, das keinerlei Suchtpotenzial hat. In den USA erhalten Patienten Adderall, das den Wirkstoff Amphetamin enthält. Dieser Wirkstoff ist allerdings auch Hauptbestandteil der Partydroge Speed.

Wie funktioniert das Videospiel „EndeavorRX“?

„EndeavorRX“ ist ein Videospiel von Akili Interactive, das auf dem Spielprinzip der Hits „Temple Run“ oder „Subway Surfer“ basiert. Ihr sammelt irgendetwas ein und weicht Gegenständen, die euch im Weg sind, gleichzeitig aus. In „EndeavorRX“ steuert ihr ein kleines, zweiturbiniges Raumschiff durch eine kalte Eiswelt. Binnen Sekunden müsst ihr aufploppenden Wesen ausweichen oder sie einfangen. Nur kurz danach werdet ihr in eine Feuerwelt oder blubbernde Unterwasserlandschaft katapultiert. Das Spielprinzip ist simple, die Grafik einfach. Aber damit will das Spiel nicht überzeugen, es will helfen.

„EndeavorRX“ hat als erstes Videospiel von der FDA nach jahrelanger Prüfung die Zulassung bekommen, als Rezept für Kinder mit ADHS im Alter von acht bis zwölf Jahre ausgestellt zu werden. Damit dürfen Ärzte dieses Spiel tatsächlich als Medikament verschreiben.

In diesem YouTube-Video könnt ihr euch einen ersten Überblick verschaffen:

Videospiel auf Rezept: „EndeavorRX“

Vier Millionen Kinder in den USA leiden unter dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität, kurz ADHS. An 600 von ihnen wurde das Spiel sieben Jahre lang in mehreren klinischen Studien getestet. Das Ergebnis: Ein Drittel der behandelten Kinder hatte „kein messbares Aufmerksamkeitsdefizit bei mindestens einem Maß objektiver Aufmerksamkeit“ mehr. Allerdings nur dann, wenn sie das Spiel über vier Wochen hinweg an jeweils fünf Tagen pro Woche für 25 Minuten spielten.

Dieser Effekt, kein Aufmerksamkeitsdefizit messen zu können, bliebe für mindestens einen Monat erhalten, gibt das Unternehmen an. Das Zocken kann also bei der Behandlung von ADHS einen Unterschied machen. Folglich hat die FDA das Videospiel als Medikament zugelassen. Aber natürlich gibt es einen Haken. Und der ist in diesem Fall so gravierend, dass die Freude der Spielmacher durch The Verge massiv gedämpft wird.

Zocken auf Rezept trotz Kritik US-weit möglich

Mittlerweile hat sich nämlich bestätigt, dass die Studie, die zu den positiven Ergebnissen kommt, von Ärzten stammt, die für den Entwickler arbeiten. Das Medizinjournal „The Lancet“ veröffentlichte die Studie. Aus ihr geht hervor, dass auf Seiten der Verfasser große Interessenkonflikte bestehen. Die Rede ist von Aktienoptionen, die die Ärzte an Akili Interactive haben könnten.

Dennoch betätigen die Entwicklerstudios laut The Verge, dass das Spiel in Kürze US-weit für betroffene Kinder verfügbar sein wird. Immerhin geht es im Gegensatz zu vielen Spiele-basierten Therapiemethoden nicht darum, Ablenkung zu schaffen, sondern gezielt die Konzentrationsfähigkeit der Patienten zu steigern. Dadurch lassen sich die ADHS-Symptome dauerhaft lindern. Aktuell gibt es bereits eine Warteliste bei den Registrierungen.

Was haltet ihr vom Zocken auf Rezept? könnt ihr euch vorstellen, dass es das in Deutschland gibt? Immerhin gibt es in deutschen Altenheimen Videospiele und Konsolen, die helfen sollen, altersbedingte Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson zu verringern, bzw. das Risiko von Stürzen zu reduzieren. Warum also nicht auch Kindern spielerisch helfen? Lasst uns eure Meinung gern in unseren Kommentaren wissen.

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