?>
Eva.Stories: Eva erzählt vom Krieg
Author
Janina Kröger, Mo, 6. Mai. 2019
in Allgemein

Eva.Stories: Eva erzählt vom Krieg

Wie der Holocaust auf Instagram ein Gesicht bekommt

Was wäre, wenn ein Mädchen im Holocaust Instagram gehabt hätte? Das ist die Frage, die den Anfang eines emotionalen Instagram-Projekts markiert. In den Eva.Stories wird das Tagebuch der 13-jährigen Jüdin Eva Heymann lebendig.

1,6 Millionen Follower verfolgen die Eva.Stories. Wir berichten, wie Evas Geschichte die Menschen bewegt.

Eva.Stories sind ein viraler Erfolg

„Instagram ist für viele Jugendliche ein Versuch, eine rundum kontrollierbare Traumwelt zu installieren, in der alles perfekt ist und sie selbst unangreifbar sind“ – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie unter dem Titel Insta Ungeschminkt, die der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel e. V. in Auftrag gegeben und Anfang April veröffentlicht hat. Mehr als 1.000 junge Frauen und Männer im Alter von 14 bis 21 Jahren haben an der Studie teilgenommen, altersmäßig also die sogenannte Generation Z, die als Hauptzielgruppe von Instagram gilt. Tenor ist, dass die Social-Media-Plattform das Bild einer schönen, heilen Welt heraufbeschwört.

Die Eva.Stories auf Instagram stehen dazu in einem krassen Kontrast – und sind vielleicht genau deshalb ein viraler Erfolg. Schon vor dem offiziellen Start am 1. Mai hatte der Instagram-Account mehr als 360.000 Follower, mittlerweile sind es mehr als 1,6 Millionen (Stand: 6. Mai 2019). Der Titel ist an den Begriff Insta-Stories angelehnt, also an jene kurzen Videos, in denen die Instagram-Nutzer Einblicke in ihr Leben geben. Bei Eva ist es genauso. Der Unterschied: Das 13-jährige Mädchen berichtet aus ihrem Leben zur Zeit des Holocausts.

Zu sehen ist ein Screenshot aus der Eva-Story, mit der die reale Eva Heymann vorgestellt wird. Vor dem Schwarz-Weiß-Foto des Mädchens ist in weißer Schrift ein Text eingeblendet. Bild: Screenshot / www.instagram.com/eva.stories/

Eine der Eva-Stories stellt die Geschichte der realen Eva Heymann vor. Bild: Screenshot / www.instagram.com/eva.stories/

Evas Leben im Krieg

Mit dem Projekt greift der israelische Regisseur Matti Kochavi eine reale Geschichte auf, nämlich die Geschichte von Eva Heymann. Das jüdische Mädchen aus Ungarn führte mehrere Monate lang Tagebuch – bis zu seiner Deportation im Mai 1944 nach Ausschwitz, wo es wenige Monate später, im Oktober, ermordet wurde. Die junge Schauspielerin Mia Quiney schlüpft für die insgesamt 70 Instagram-Stories in die Rolle der ungarischen Jüdin. Die Mini-Filme wurden, passend zur Plattform Instagram, alle mit dem Smartphone gedreht.

Die erste Eva.Story ist auf den 13. Februar 1944 datiert – genauso wie der erste Eintrag in Evas Tagebuch, das schon als Grundlage für das 2012 in deutscher Sprache erschienene Buch „Das rote Fahrrad“ diente. Zu sehen ist in der ersten Story ein dunkelhaariges, fröhliches Mädchen. Dazu ist eine Stimme zu hören, die auf Englisch sagt: „Hi, mein Name ist Eva – das bin ich!“ Man schreibt das Jahr 1944. Die Nationalsozialisten haben einen Großteil Europas erobert. „Die Nazis tun den Juden schreckliche Dinge an. Aber sie haben uns nicht erobert. Und die Russen werden uns retten.“

Der Krieg bei Eva zu Hause

Nach diesem kurzen Abriss der Zeitgeschichte wendet sich Eva ihrer eigenen Geschichte zu. Sie stellt ihre Mutter, ihre Großeltern, ihre Cousine Martha und ihre beste Freundin Annie vor. Und ordnet gleich wieder ein: „Wir sind umgeben von Krieg. Aber ich sehe immer die Sonne.“

Die Instagram-Serie hangelt sich chronologisch an einzelnen Tagebucheinträgen entlang. Am 15. Februar feiert Eva ihren 13. Geburtstag, zusammen mit ihrer Cousine Martha und ihrer besten Freundin Annie. Evas Oma unterbricht die fröhliche Feier. „Die Polizei ist bei dir Zuhause, du musst gehen“, sagt sie zu Martha. Die Großeltern erzählen Eva, dass Martha und ihre Eltern nach Polen gebracht werden. Eva fragt: „Und was passiert in Polen?“

Der Frage folgen historische Aufnahmen. Verschiedene Szenen zeigen die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und Menschenmengen, die Hitler zujubeln. Jetzt ist der Krieg endgültig in Evas Leben angekommen.

Szenen des Alltags

Eva macht sich zwar Sorgen um ihre Cousine, trotzdem kehrt wieder Alltag ein. Eva nimmt ihre Zuschauer mit in ihren Alltag: In die Schule, wo sie auf ihren Schwarm Pista trifft und in die Apotheke ihrer Großeltern, die sie als ihren „happy place“ bezeichnet. Der Zuschauer lernt den Park kennen, wo sie mit Pista ein Eis isst und Evas Zuhause, wo sie ein Essen im Kreis ihrer Familie genießt. Eva erzählt, dass sie später einmal Reporterin werden möchte.

Nach und nach gewinnt das Kriegsgeschehen die Oberhand. Die jüdischen Schulen werden geschlossen, und immer mehr Menschen aus Evas Umfeld verschwinden. Darunter auch ihre beste Freundin Annie. Schließlich, am 15. Mai, werden auch Eva und ihre Familie ins Ghetto gebracht.

Die Szenen werden nun sehr düster. Nur das Wiedersehen mit Annie und Pieta sorgt für einen kleinen Lichtblick. Eva schildert die Lebensumstände im Ghetto, wo sich 20 Menschen ein Zimmer teilen müssen. Während ihre Mutter und Großeltern arbeiten, verbringt das Mädchen viele Stunden angstvoll alleine. Berichte vom Ablauf der Deportation machen die Runde. Am Abend des 31. Mai liegt Eva in ihrem Bett. „Ich glaube an nichts mehr. Alles was ich weiß, ist, dass ich leben will.“

Zu sehen ist Raum voll mit Matratzen, drei Mädchen (rechts ist Eva) spielen eine Szene mit Nazi-Soldaten nach. Bild: Screenshot / www.instagram.com/eva.stories/

Eva-Stories: Die Szene aus dem Ghetto zeigt Eva (rechts) beim Spielen mit Freundinnen. Bild: Screenshot / www.instagram.com/eva.stories/

Eva.Stories enden mit Deportation

Danach gibt es nur noch einen einzigen Eintrag im Juni. Man sieht, wie sich Eva und ihre Großeltern in den langen Zug von Menschen einreihen, der, umgeben von deutschen Soldaten, zum Bahnhof führt. Hier steigen sie in einen noch leeren Waggon, der sich mehr und mehr füllt, bis die Menschen dicht an dicht sitzen. Verzweiflung greift um sich. Eva und ihre Großmutter halten sich eng umschlungen, während sich die Waggontüren schließen und sich Dunkelheit breit macht. Der Zug setzt sich quietschend in Bewegung.

Evas Geschichte endet bedrückend und steht damit in einem krassen Kontrast zur heilen Instagram-Welt. Weshalb hat der Regisseur gerade diese Plattform für seinen Beitrag ausgewählt? Matti Kochavi sagte dazu im israelischen Fernsehen (nach faz.net): „Im digitalen Zeitalter, in dem die Aufmerksamkeitsspanne kurz und das Bedürfnis nach Nervenkitzel hoch ist, ist es extrem wichtig, neue Modelle der Zeugenaussagen und Erinnerung zu finden – auch angesichts der sinkenden Zahl von Holocaust-Überlebenden.“ Die Jugend sei nun mal auf Instagram unterwegs und dort am besten zu erreichen. Instagram Eva ist im Zuge des Holocaust-Gedenkens sein Mittel dafür.

Instagram mit Tiefgang

Der weltweite Zuspruch gibt ihm Recht, obwohl es auch kritische Stimmen gibt, die die Darstellung des Themas Holocaust als zu oberflächlich bewerten. Der Tenor bei Instagram selbst ist positiv. „Guckt euch einfach die erste Story an. Wunderschön gemacht, großen Dank dafür, was ihr macht. Geschichte darf nicht vergessen werden“, schreibt ein User. Und ein anderer: „Wer auch immer sich dieses Projekt ausgedacht hat, ist ein Genie. So realistisch und Angst einflößend… ein großer Schritt gegen das Vergessen. Durch die Erzählung der Geschichte auf diese Weise kann die nächste Generation sie verstehen und eine Verbindung zu ihr aufbauen… Brillant!“

Habt ihr auch schon von den Eva-Stories gehört und sie euch vielleicht angesehen? Was denkt ihr: Ist Instagram ein geeignetes Medium für so ein ernstes Thema? Lasst es uns in unseren Kommentaren wissen. Falls ihr Probleme mit eurem Instagram-Account habt, findet ihr Hilfe in unseren Blogbeiträgen Instagram-Account gehackt und Nach Insta-Hack. Und was an Werbung auf Instagram erlaubt ist, erklärt euch der Artikel Schlappe für Instagram-Influencer.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

0 Kommentare