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Führerschein-App gestoppt
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Maren Keller, Fr, 1. Okt. 2021
in Aktuelles

Führerschein-App gestoppt

Digitaler Führerschein mit großer Sicherheitslücke

Gerade einmal eine Woche hielt sich die Führerschein-App „ID-Wallet“ in den App Stores. Dann wurde sie wieder entfernt. Dabei sollte die App den klassischen Führerschein digital ersetzen.

Wie der digitale Führerschein funktioniert und warum die Führerschein-App schon wieder offline ist, erfahren Sie bei uns.

Führerschein-App kurzzeitig verfügbar

Noch-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat ihn stolz angekündigt: den digitalen Führerschein. Er stand als App „ID-Wallet“ in den App Stores zur Verfügung. Mit ihm sollte Car-Sharing und Autovermietung erleichtert werden. Denn: Er sollte den klassischen Karten-Führerschein ergänzen. Auf EU-Ebene, so Scheuers Wunsch, soll die Führerschein-App als offizieller Nachweis der Fahrerlaubnis anerkannt werden, beispielsweise bei Polizeikontrollen. Das ist aktuell aus rechtlichen Gründen aber noch nicht möglich.

Das Kraftfahrzeugbundesamt teilte auf seiner mittlerweile wieder gelöschten Webseite mit, dass Inhaber eines Kartenführerscheins seit dem 23. September 2021 eine digitale Kopie ihres Führerscheins online erstellen und in der ID-Wallet ablegen können. Und weiter: Die zugrundeliegende Self-Sovereign-Identity-Technologie (SSI) ermögliche „die selbstbestimmte Nutzung der KBA-Daten und gewährleistet zugleich höchste Datenschutzanforderungen“.

Die Anfrage nach der Führerschein App war so groß, dass die App schon nach kurzer Zeit nicht mehr funktioniert. Warum das passierte, ist völlig unklar. Ein Update sollte helfen. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen wurde die App aus den App Stores verbannt.

Führerschein-App: Polizist steht am Auto und kontrolliert den Fahrer. Bild: Pexels/Kindel Media

„Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte!“ – diesen Satz hat sicherlich jeder schon einmal gehört, der Auto fährt. Mit der Führerschein-App soll der digitale Nachweis irgendwann reichen. Bild: Pexels/Kindel Media

Was ist ID-Wallet?

Wie funktioniert der digitale Nachweis des Führerscheins? Mit der App ID-Wallet kommt eine Art „digitales Portemonnaie“ auf das Smartphone. Und wie in einem echten Portemonnaie findet in der ID-Wallet nicht nur Ihr digitales Geld seinen Platz, um bargeldlos mittels Google Pay, Apple Pay, WhatsApp Pay oder Masterpass zu bezahlen. Allerdings gibt es gerade bei den sogenannten Mobile Payments noch immer viel Misstrauen, auch wenn das bargeldlosen Bezahlen seit der Corona-Krise stark angestiegen ist.

Auch den digitalen Personalausweis oder künftig den digitale Führerschein können Sie in der App ID-Wallet hinterlegen. Das bedeutet also, dass Sie in der App ID-Wallet digitale Nachweise auf dem eigenen Smartphone verwalten und nutzen können.

Plan der Regierung ist es, das Ökosystem „Digitale Identitäten“ wachsen zu lassen. In die Wege geleitet hat sie dafür mehrere „Anwendungsfälle, wie die Registrierung für Prepaid-Verträge, das betriebliche Zugangsmanagement oder die Online-Konto- und Depoteröffnung bei Banken“, schreibt Staatsministerin Dorothea Bär.

Führerschein-App wieder offline

Kaum war die Führerschein-App online, da war sie aber auch schon wieder offline. Grund dafür war unter anderem, dass sich Nutzer massenhaft über fehlenden Funktionalität beschwerten. Das Speichern des Führerscheins digital hat offenbar reihenweise nicht richtig funktioniert.

Hinzu kamen massive Sicherheitsprobleme. So kritisierte unter anderem ein Mitglied des Chaos Computer Clubs, dass Infrastruktur und Technik der App angreifbar seien (siehe Twitter-Einbettung).

Noch weiter geht Sicherheitsforscherin Lilith Wittmann. Sie schreibt in ihrem Blog, dass es beim Abfragen der digitalen Daten keinen Schutz gegen das Abgreifen der Personendaten durch einen Angreifer gibt. Es besteht also die Gefahr des Identitätsdiebstahls. Und der wäre sogar auch mittels QR-Code-Betrug möglich. Die Folge: Nach nur wenigen Tagen ist die App bereits wieder offline.

Digitalverband kritisiert Führerschein-App

Und während Verkehrsminister Scheuer die von der Digital-Enabling GmbH entwickelten App noch lobt, kritisiert der Digitalverband Bitkom die Führerschein-App. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder klagt: Der „Führerschein als App“ reihe sich ein „in die mühseligen Versuche, auch in Deutschland digitale Technologien an der Schnittstelle von Verwaltung und Verbrauchern zum Einsatz zu bringen“. Und weiter: „Zunächst kam ein elektronischer Personalausweis, für den es aber faktisch keine Einsatzmöglichkeiten gab. Dann kam die elektronische Gesundheitskarte, die außer Stammdaten nichts zu bieten hatte. Jetzt kommt eine Führerschein-App, die bei Polizeikontrollen nicht akzeptiert wird.“ Und auch bei der Corona-Warn-App gab Deutschland kein gutes Bild ab und die Bewertung in den App Stores waren mangelhaft.

Für Rohleder ist die Führerschein-App lediglich ein „erster kleiner Schritt auf dem Weg in die digitale Mobilität“. Norwegen oder zum Beispiel der Kosovo seien Deutschland bereits um Jahre voraus. Dort sind 2019 und 2018 offizielle Führerschein-Apps eingeführt worden, die alle Funktionen des klassischen Führerscheins besitzen. „Erst wenn die Führerschein-App auch in Deutschland in allen Standardsituationen und bei Verwaltungsleistungen genutzt werden kann, wird sie ihren Nutzen in der Breite entfalten.“

Wann das soweit ist, steht in den Sternen. Schließlich muss die App erst einmal wieder online gehen. Das soll laut Bundesregierung „nach den Tests und Weiterentwicklungen in wenigen Wochen“ der Fall sein.

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Weiterführende Links: Kraftfahrzeugbundesamt, Ökosystem Digitale Identitäten, lilithwittmann.medium, n-tv, sueddeutsche, heise

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